Successful Completion of Negotiations

Die Hürden zum Individualvertrag sind hoch: Wann ist eine Regelung „ausgehandelt“ und unterliegt damit nicht den Beschränkungen des AGB-Rechts?

LEGAL+

LEGAL+ NEWS

Die Hürden zum Individualvertrag sind hoch: Wann ist eine Regelung „ausgehandelt“ und unterliegt damit nicht den Beschränkungen des AGB-Rechts?

Das AGB-Recht, also das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen, stellt eine Beschränkung der Vertragsfreiheit dar, weil es die Möglichkeiten, Verträge inhaltlich frei und wirksam zu gestalten einschränkt. Liegt eine Regelung vor, die dem AGB-Recht unterfällt, muss sie die Vorgaben des AGB-Rechts einhalten, anderenfalls ist sie unwirksam. Um den Beschränkungen des AGB-Rechts zu entgehen, müssen die Vertragspartner die fragliche Regelung ausgehandelt haben.

Die rechtlichen Hürden zu einem solchen „Aushandeln“ sind sehr hoch:

Signing contract in cafe

Ausgangspunkt: § 305 Abs. 1 S. 3 BGB

305 Abs. 1 S. 3 BGB stellt ausdrücklich fest, dass eine ausgehandelte Vertragsregelung nicht dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen unterfällt:

„Allgemeine Geschäftsbedingungen liegen nicht vor, soweit die Vertragsbedingungen zwischen den Vertragsparteien im Einzelnen ausgehandelt sind.“

Was ist „Aushandeln“?

Was nun Aushandeln meint“, ergibt sich nicht aus dem Gesetz. Aufschluss gibt eine mittlerweile gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Beispielhaft sei aus einem recht aktuellen Urteil des Bundesgerichtshofs vom 26. März 2015 (AZ VI ZR 92/14) wie folgt zitiert:

[33] (1) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfordert Aushandeln mehr als Verhandeln. Von einem Aushandeln in diesem Sinne kann nur dann gesprochen werden, wenn der Verwender zunächst den in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen gesetzesfremden Kerngehalt, also die den wesentlichen Inhalt der gesetzlichen Regelung ändernden oder ergänzenden Bestimmungen, inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und dem Verhandlungspartner Gestaltungsfreiheit zur Wahrung eigener Interessen einräumt mit zumindest der realen Möglichkeit, die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen zu beeinflussen. Er muss sich also deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung einzelner Klauseln bereit erklären (BGH, Urteile vom 20. März 2014 – VII ZR 248/13, BGHZ 200, 326 Rn. 27; vom 22. November 2012 – VII ZR 222/12, BauR 2013, 462 Rn. 10). Die entsprechenden Umstände hat der Verwender darzulegen (BGH, Urteil vom 3. April 1998 – V ZR 6/97, NJW 1998, 2600, 2601). In aller Regel schlägt sich eine solche Bereitschaft auch in erkennbaren Änderungen des vorformulierten Textes nieder. Allenfalls unter besonderen Umständen kann ein Vertrag auch dann als Ergebnis eines „Aushandelns“ gewertet werden, wenn es schließlich nach gründlicher Erörterung bei dem gestellten Entwurf verbleibt (BGH, Urteil vom 22. November 2012 – VII ZR 222/12, aaO; Versäumnisurteil vom 23. Januar 2003 – VII ZR 210/01, BGHZ 153, 311, 321 m. w. N.). Selbst bei Änderungen des Textes verliert eine Klausel ihren Charakter als Allgemeine Geschäftsbedingung nur dann, wenn die nachträgliche Änderung in einer Weise erfolgt, die es rechtfertigt, sie wie eine von vornherein getroffene Individualvereinbarung zu behandeln. Das ist nicht der Fall, wenn der Verwender auch nach Vertragsschluss dem Vertragspartner keine Gestaltungsfreiheit eingeräumt und den gesetzesfremden Kerngehalt der Klausel nicht zur Disposition gestellt hat und die Parteien auf dieser Grundlage eine Einigung finden, mit der die nachteilige Wirkung der Klausel lediglich abgeschwächt wird (vgl. BGH, Urteil vom 7. März 2013 – VII ZR 162/12, BauR 2013, 946 Rn. 30 = NZBau 2013, 297).

 Aus vorzitierten Ausführungen des BGH lassen sich folgende wesentliche Kriterien entnehmen:

  • Aushandeln ist mehr als verhandeln!
  • Derjenige, der eine Regelung vorschlägt, muss deren Inhalt ernsthaft zur Disposition stellen. Hiervon umfasst sein muss der gesetzesfremde Kerngehalt der Regelung. Es genügt folglich nicht, wenn die Bereitschaft besteht, irgendetwas (unbedeutendes) an der Regelung anzupassen.
  • Dem anderen Vertragspartner muss erkennbar – und nachweisbar (!) – eigene Gestaltungsfreiheit zur Wahrung seiner Interessen eingeräumt werden.
  • Bleibt am Ende der ursprüngliche Inhalt bestehen, können allenfalls „besondere Umstände“ die Annahme rechtfertigen, dass ein Aushandeln dennoch erfolgt war.

Fazit

Die Anforderungen an das Vorliegen eines Aushandelns sind deutlich höher als dies verbreitet angenommen wird.

Nach Möglichkeit sollte man es daher vermeiden, den ersten Entwurf eines Vertrages zu erstellen. Denn dann ist man selbst der „Verwender“ der darin enthaltenen Regelungen, was dazu führt, dass der Vertragspartner in den Genuss des AGB-Rechts kommt. Umgekehrt ist es besser: Denn dann ist man selbst die geschützte Partei.

In jedem Fall sollte auf eine gute Verhandlungsdokumentation geachtet werden, damit im Streitfall das Aushandeln auch nachgewiesen werden kann.

Sie haben Fragen dazu?

AKTUELLE BEITRÄGE

Business shaking hands of partner over the photo blurred of group of Businessman Corporate
Prozessführung

Anfechtungsmöglichkeiten eines gerichtlich geschlossenen Vergleichs

Zivilprozesse werden vielfach im Wege eines zwischen den Parteien im Laufe des Verfahrens geschlossenen Vergleichs beendet. Häufig geschieht dies mit Hilfe des Gerichts. Die Praxis zeigt, dass ein solcher Vergleichsschluss, trotz Beteiligung des Gerichts, durchaus Tücken in sich birgt. Nachfolgend möchte ich einen Überblick verschaffen.

Weiter lesen »
Quotes
Prozessführung

Zur Befangenheit von Richtern im Zivilprozess: Wenn Richter Schriftsätze einer Partei nicht lesen, kann dies einen Befangenheitsantrag rechtfertigen!

Im Anschluss an meinen Überblicks-Beitrag zum Befangenheitsantrag nach § 42 ZPO möchte ich über ein interessantes Urteil des OLG Karlsruhe berichten. Demnach kann es die Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn ein Richter die von einer Partei eingereichten Schriftsätze nicht liest. Im betreffenden Fall hatte ein Richter einen gegen ihn gerichteten Befangenheitsantrag übersehen, da er den diesen enthaltenen Schriftsatz ungelesen an die Gegenpartei zur Stellungnahme weitergeleitet hatte. Dies verstößt gegen die sog. Wartepflicht nach § 47 Abs. 1 ZPO, wonach ab Stellung eines Befangenheitsantrags bis zu dessen Erledigung nur „unaufschiebbare Amtshandlungen“ zulässig sind.

Weiter lesen »
Files and evidence bag in a crime lab, conceptual image
Prozessführung

BGH zu den Rechtsfolgen einer Beweisvereitelung

In Rechtstreitigkeiten kommt es immer wieder vor, dass eine Partei die Beweisführung des Gegners erschwert. In diesen Fällen kommt dann die Frage auf, ob und gegebenenfalls mit welcher Rechtsfolge von einer Beweisvereitelung auszugehen ist.

Weiter lesen »

KONTAKT

LEGAL+

+49 (40) 57199 74 80

+49 (170) 1203 74 0

Neuer Wall 61 D-20354 Hamburg

kontakt@legal-plus.eu

Profitieren Sie von meinem aktiven Netzwerk!

Ich freue mich auf unsere Vernetzung.

Copyright 2025 © All rights Reserved.
Classical columns close up architecture

Richtungsweisendes Urteil des BGH zum Recht des Unternehmenskaufs (Urteil vom 26. September 2018, Az. VIII ZR 187/17, Urteilsgründe stehen aus):

LEGAL+ NEWS

Richtungsweisendes Urteil des BGH zum Recht des Unternehmenskaufs (Urteil vom 26. September 2018, Az. VIII ZR 187/17, Urteilsgründe stehen aus)

Ein richtungsweisendes neues Urteil des BGH (Az. VIII ZR 187/17) beseitigt einen grundlegenden Irrtum betreffend die Haftung beim Unternehmenskauf:

Das Urteil in Kürze (BGH-Urteil vom 26. September 2018, Az. VIII ZR 187/17)

Der Anteilskauf ist Rechtskauf, auf den die Regeln über die Sachmängelhaftung grundsätzlich keine Anwendung finden. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn Kaufgegenstand das ganze Unternehmen ist bzw. im Falle des Anteilskaufs (fast) alle Anteile sind. Entgegen eines Jahrzehnte lang bestehenden Irrtums der Rechtsliteratur sowie der Instanzgerichte reicht es hingegen nicht aus, wenn der Erwerber in Folge der Transaktion alle bzw. fast aller Anteile eines Unternehmens hält.

Der Fall

Mit Urteil vom 26. September 2018 hat der VIII. Zivilsenat des BGH einen Jahrzehnte alten Irrtum der Rechtspraxis beerdigt. Gegenstand des Urteils ist folgender, stark verkürzt dargestellter Fall, den ich seit erster Instanz persönlich auf Seiten der Klägerin begleite:

A und B waren im Rahmen eines Joint Ventures zu gleichen Teilen Anteilseigner einer GmbH. A erwarb nach der Entscheidung über die Beendigung des Joint Ventures alle Anteile an der GmbH von B mit der Folge, dass A seit der Transaktion alle Anteile allein hält. Im Kaufvertrag vereinbarten die Parteien einen umfassenden Gewährleistungsausschluss. Nach Durchführung der Transaktion stellte sich heraus, dass die GmbH bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses insolvent und somit nicht mehr fähig war, am Markt werbend zu agieren. Daraufhin forderte A von B unter dem Gesichtspunkt der Störung der Geschäftsgrundlage den gezahlten Kaufpreis zurück, weil – im Grundsatz unstreitig – beide Seiten davon ausgingen, dass die GmbH solvent ist und der Kaufpreis auf Basis einer gemeinsam abgestimmten Wertermittlung bestimmt worden sei. B wendet ein, dass wegen Vorrangigkeit der Sachmängelhaftung eine Anwendung der Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage ausgeschlossen sei. Eine Haftung wegen eines Sachmangels sei wiederum ausgeschlossen, weil ein umfassender Gewährleistungsausschluss vereinbart sei. Eine Beschaffenheitsvereinbarung sei nicht getroffen worden.

Der Irrtum der Instanzgerichte (OLG Karlsruhe, Urteil vom 02.08.2017, Az. 13 U 44/15)

Beide Instanzgerichte haben die entsprechende Klage von A mit der Begründung abgewiesen, dass die Regeln über die Sachmängelgewährleistung Anwendung finden würden. Infolgedessen sei wegen des vereinbarten Gewährleistungsausschlusses kein Anspruch gegeben. Die Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage hätten neben dem Sachmängelgewährleistungsrecht keinen Raum.

Die Anwendbarkeit des Sachmängelgewährleistungsrechts hatte das OLG Karlsruhe (Urteil vom 02.08.2017, Az. 13 U 44/15) in dem Glauben, sich diesbezüglich auf eine geklärte Rechtslage zu stützen, wie folgt begründet:

Nach allgemeiner Meinung (Übersicht zum Meinungsstand bei Beisel/Klumpp, Der Unternehmenskauf, 7. Auflage 2016, § 4 Rn. 10) ist der Kauf von Gesellschaftsanteilen (,,share deal“) auch nach neuem Recht Rechtskauf im Sinne des § 453 Abs. 1 Var. 1 BGB und wird insbesondere im Hinblick auf die Gewährleistung weiterhin jedenfalls dann wie ein Unternehmenskauf im Wege eines „asset deals“ (Veräußerung eines Inbegriffs von Rechts- und Sachgesamtheiten einschließlich unkörperlicher Werte wie etwa eines „good will“, siehe dazu BGH, Urteil vom 02.03.1988  – VIII ZR 63/87, juris Rn. 16) behandelt,  wenn sich der Kaufvertrag  auf den Erwerb sämtlicher Anteile der unternehmenstragenden Gesellschaft erstreckt (Staudinger/Beckmann, BGB, Neubearbeitung 2013, § 453 Rn. 90) oder die beim Verkäufer oder Dritten verbleibenden Anteile so geringfügig sind, dass sie die Verfügungsbefugnis des Erwerbers über das Unternehmen nicht entscheidend beeinträchtigen, sofern der Wille der Parteien auf den Kauf des Unternehmens  als Ganzes gerichtet ist (BeckOK  BGB/Faust BGB § 453 Rn. 32 m. z. w. N. zum Meinungsstand).

(…)

Der hier erfolgte Kauf von 50 % der Geschäftsanteile an der Zielgesellschaft im Rahmen eines sogenannten share deals ist auch unzweifelhaft als Kauf des ganzen Unternehmens einzuordnen, da die Klägerin mit dem Kauf bestimmungsgemäß sämtliche Geschäftsanteile der Zielgesellschaft auf sich vereinte und als alleinige Geschäftsinhaberin nunmehr die Geschicke der Zielgesellschaft allein bestimmte. Daher ist auf diesen Unternehmenskauf auch nach neuem Schuldrecht das Sachmängelgewährleistungsrecht auf Mängel des Unternehmens anwendbar.

Der große Irrtum des OLG liegt in Folgendem:

Für die Anwendbarkeit der Regeln über die Sachmängelgewährleistung reicht es entgegen dem OLG nicht aus, dass der Erwerber mit dem Kauf bestimmungsgemäß sämtliche Geschäftsanteile der Zielgesellschaft auf sich vereint.

Die Klarstellung des BGH in der mündlichen Verhandlung am 26. September 2018

Die Vorsitzende des XIII. Zivilsenats des BGH erläuterte in der mündlichen Verhandlung sinngemäß:

„Da sei der BGH in der Vergangenheit wohl missverstanden worden.“

Wie der Senat dann im Rahmen des weiteren Verlaufs der mündlichen Verhandlung klarstellte, ist eine Anwendung des Sachmängelgewährleistungsrechts ausschließlich dann gerechtfertigt, wenn der Kaufgegenstand selbst das Unternehmen im Ganzen – oder zumindest fast Ganzen – abbildet. Entsprechend könne von einem Sachkauf unter Geltung des Sachmängelrechts keine Rede sein, wenn Kaufgegenstand – wie im vorliegenden Fall – lediglich 50 % der Anteile an einem Unternehmen bilden. Es reiche – entgegen einem seit Jahrzehnten verbreiteten Irrtums – nicht aus, wenn der Käufer als Ergebnis der Transaktion alle Anteile an einem Unternehmen hält.

Folge für den gegenständlichen Fall sei insbesondere, dass die Regeln über den Wegfall bzw. die Störung der Geschäftsgrundlage nicht verdrängt seien. Hierfür habe ich von erster Instanz an gekämpft…

Der BGH hat aus den genannten Gründen die Entscheidung des OLG Karlsruhe aufgehoben und zur weiteren Verhandlung zurückverwiesen.

 

wooden judges gavel on table in a courtroom or enforcement office.

Urteilsgründe noch ausstehend

Ein Update dieses Beitrags wird folgen, sobald die Urteilsgründe des BGH vorliegen.

Sie haben Fragen dazu?

AKTUELLE BEITRÄGE

Business shaking hands of partner over the photo blurred of group of Businessman Corporate
Prozessführung

Anfechtungsmöglichkeiten eines gerichtlich geschlossenen Vergleichs

Zivilprozesse werden vielfach im Wege eines zwischen den Parteien im Laufe des Verfahrens geschlossenen Vergleichs beendet. Häufig geschieht dies mit Hilfe des Gerichts. Die Praxis zeigt, dass ein solcher Vergleichsschluss, trotz Beteiligung des Gerichts, durchaus Tücken in sich birgt. Nachfolgend möchte ich einen Überblick verschaffen.

Weiter lesen »
Quotes
Prozessführung

Zur Befangenheit von Richtern im Zivilprozess: Wenn Richter Schriftsätze einer Partei nicht lesen, kann dies einen Befangenheitsantrag rechtfertigen!

Im Anschluss an meinen Überblicks-Beitrag zum Befangenheitsantrag nach § 42 ZPO möchte ich über ein interessantes Urteil des OLG Karlsruhe berichten. Demnach kann es die Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn ein Richter die von einer Partei eingereichten Schriftsätze nicht liest. Im betreffenden Fall hatte ein Richter einen gegen ihn gerichteten Befangenheitsantrag übersehen, da er den diesen enthaltenen Schriftsatz ungelesen an die Gegenpartei zur Stellungnahme weitergeleitet hatte. Dies verstößt gegen die sog. Wartepflicht nach § 47 Abs. 1 ZPO, wonach ab Stellung eines Befangenheitsantrags bis zu dessen Erledigung nur „unaufschiebbare Amtshandlungen“ zulässig sind.

Weiter lesen »
Files and evidence bag in a crime lab, conceptual image
Prozessführung

BGH zu den Rechtsfolgen einer Beweisvereitelung

In Rechtstreitigkeiten kommt es immer wieder vor, dass eine Partei die Beweisführung des Gegners erschwert. In diesen Fällen kommt dann die Frage auf, ob und gegebenenfalls mit welcher Rechtsfolge von einer Beweisvereitelung auszugehen ist.

Weiter lesen »

KONTAKT

LEGAL+

+49 (40) 57199 74 80

+49 (170) 1203 74 0

Neuer Wall 61 D-20354 Hamburg

kontakt@legal-plus.eu

Profitieren Sie von meinem aktiven Netzwerk!

Ich freue mich auf unsere Vernetzung.

Copyright 2025 © All rights Reserved.
Computer with warning pop up sign window

Dürfen sog. Abmahnvereine alles? – Zur Schadensersatzpflicht von Abmahnvereinen wie z.B. dem Verband sozialer Wettbewerb (VSW)

LEGAL+ NEWS

Dürfen sog. Abmahnvereine alles? – Zur Schadensersatzpflicht von Abmahnvereinen wie z.B. dem Verband sozialer Wettbewerb (VSW)

Seit einiger Zeit hat sich insbesondere – und man muss sagen: mal wieder – der Wettbewerbsverein „Verband sozialer Wettbewerb“ (kurz: VSW) einen Namen gemacht. In 2017 hat er begonnen, sich das gesamte Internet – insbesondere sog. Influencer – durch massenhafte Abmahnungen vorzuknüpfen, um – wie einer seiner Geschäftsführer gemäß dem Magazin Horizont (vgl. Artikel vom 22. Juli 2018) wörtlich ausgeführt hat -,

auszuloten, was im Internet erlaubt sei“.

Vorstehendes sowie meine eigene Erfahrung mit dem VSW in einem konkreten Fall, in dem ein junges Start-up-Unternehmen zugrunde gegangen ist, weil der VSW sämtliche Partner des Start-ups mit Abmahnungen überzogen hatte, wirft die Frage auf, ob Abmahnvereinen alles erlaubt ist.

Unter anderem in dem von mir erwähnten konkreten Fall argumentiert das in erster Instanz involvierte Gericht, Abmahnvereinen würden ein sog. „Abmahnprivileg“ zustehen. Dieses würde Abmahnvereinen einen weiten Spielraum im Rahmen seiner Abmahntätigkeit einräumen.

Dem ist klar zu widersprechen:

I. Abmahnverein muss Deliktsrecht achten!

Zum einen ist die Annahme eines sog. Abmahnprivilegs bereits im Grundsatz verfehlt, zum anderen kann es nicht sein, dass Abmahnvereinen rechtsfreie Räume zugebilligt werden.

Meines Erachtens muss sich ein Wettbewerbsverband bei seinem Handeln wie jeder andere auch am allgemeinen Deliktsrechts messen lassen und muss unter dem Gesichtspunkt des Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb haften, wenn er im Rahmen einer Abmahnung zumindest fahrlässig – damit schuldhaft – dem Abgemahnten oder zurechenbar einem Dritten Schaden zugefügt hat.

II. Grundsätze zur unberechtigten Schutzrechtsverwanrung bilden Haftungsmaßstab für wettbewerbsrechtliches Handeln von Abmahnvereinen

Zur Begründung dieser Haftung bildet die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur sog. unberechtigten Schutzrechtsverwarnung einen geeigneten Anknüpfungspunkt.

Diese Grundsätze betreffen insbesondere den Fall, dass im Falle einer vermeintlichen Schutzrechtsverletzung nicht der Hersteller als vermeintlicher Verletzer, sondern dessen Abnehmer verwarnt werden.

Dem liegt zutreffend der Gedanke zugrunde, dass in solchen Fällen nicht der verwarnte Abnehmer, sondern der ihn beliefernde Hersteller einschneidend getroffen wird. Für den Hersteller können Verwarnungen gegenüber Abnehmern im Einzelfall existenzgefährdend sein. Vor diesem Hintergrund hat der BGH richtigerweise eine Schadensersatzpflicht angenommen, wenn der Verwarner unberechtigt gegen Abnehmer vorgeht und hierdurch den hiervon betroffenen Hersteller schädigt.

Von einer solchen spricht man, wenn der Inhaber eines angeblichen Schutzrechtes (z.B. Patentrecht) von einem anderen Unternehmen die Einstellung der Herstellung oder des Vertriebs bestimmter Produkte mit der Begründung verlangt, die Herstellung oder der Vertrieb dieser Produkte greife in seine Schutzrechte ein.

In solchen Fällen ist seit jeher von der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt, dass der Verwarner das Risiko der fehlenden Berechtigung seines Handelns trägt. Kurz: War seine Verwarnung ungerechtfertigt und ist ihm zumindest Fahrlässigkeit vorzuwerfen, haftet er.

Diese zu bejahende Haftung ist insbesondere in Fällen der sog. Abnehmerverwarnung (= Verwarner mahnt nicht den Hersteller, sondern dessen Abnehmer ab) besonders gerechtfertigt: Denn Abnehmer werden sich in der Regel nicht wehren, wodurch der Hersteller bei einer unberechtigten Schutzrechtsverwarnung gegenüber seinen Abnehmern schwerwiegend geschädigt werden könnte.

Die Erwägungen, die zu der Bejahung einer Haftung in den Schutzrechtsfällen angeführt werden, gelten weitgehend auch für Abmahnsachverhalte in reinen Wettbewerbssachen, und zwar auch (meines Erachtens: gerade) in Fällen von Abmahnvereinen, die vermeintlich im Interesse von Mitbewerbern Wettbewerbsverstöße zu ahnden meinen.

Einzig das OLG Stuttgart – so meine Recherche – hat hierzu bislang begrüßenswerte Feststellungen getroffen. Zutreffend hat das OLG Stuttgart mit Urteil vom 21. Januar 2010 (Az. 2 U 8/09) zunächst zu der Frage, ob eine Abmahnung anders als eine gerichtliche Verfahrenshandlung zu bewerten sei, festgestellt:

„Im Lichte der Ausführungen in BGHZ 164, 1 ff. ist der Abmahnende in Wettbewerbssachen gegenüber einem von der Abmahnung betroffenen Dritten nicht durch ein „Abmahnprivileg“ geschützt.“ [Anmerkung: Hervorhebung durch den Verfasser]

Zur Begründung hat das OLG Stuttgart u. a. ausgeführt:

„Privilegierte man die Abmahnung, ergäbe sich keine wirksame Handhabe, um einem möglicherweise existenzgefährdenden Eingriff in die Kundenbeziehungen des Herstellers durch die unberechtigte Abmahnung gegenüber seinen Abnehmern entgegenzutreten.“

Zutreffend hat das OLG Stuttgart weiter festgestellt, dass die vom Bundesgerichtshof (BGH) entwickelten Grundsätze zur unberechtigten Schutzrechtsverwarnung sich nicht allein auf Schutzrechtsverwarnungen beschränken lassen. Das OLG Stuttgart hat ausgeführt:

„Zwar kommt demjenigen, der wie der Berufungskläger abmahnt, anders als dem Schutzrechtsverwarner schon von seinem eigenen Standpunkt aus kein Ausschließlichkeitsrecht zu, welches geeignet wäre, jeden Wettbewerber von der Benutzung des Schutzgegenstands auszuschließen, was die Wucht seines Angriffes aus der Sicht des Abgemahnten mindert. Andererseits aber entstünde auch bei der auf Unlauterkeit gestützten Abmahnung eine Unwucht, dürfte er den wirtschaftlichen Nutzen aus einer schuldhaften Verkennung des Umfangs des ihm zustehenden Rechtes ziehen, ohne für einen hierdurch verursachten Schaden einstehen zu müssen.“  [Anmerkung: Hervorhebung durch den Verfasser]

Vorzitierte Erwägungen gelten gleichsam für das Handeln von Wettbewerbsverbänden. Das OLG Stuttgart hat dazu festgestellt:

„Nichts anderes gilt, sofern nicht ein einzelner Wettbewerber abmahnt, sondern ein Verband oder ein Verein. Denn zum einen nimmt auch ein solcher die Interessen der Wettbewerber wahr, und zum anderen entstünde ansonsten eine Rechtsunsicherheit, da jeweils geprüft werden müsste, ob dem Abmahnenden auch konkurrierende Hersteller angehören bzw. zum Zeitpunkt der Abmahnung angehörten, was im vorliegenden Fall aber ohnehin feststeht.“

 

wooden judges gavel on table in a courtroom or enforcement office.

III. Zusammenfassender Überblick zur Haftung von Abmahnvereinen

Nach den vorzitierten zutreffenden Ausführungen des OLG Stuttgart lässt sich zusammenfassen:

  • Wettbewerbsvereinen steht kein Abmahnprivileg zu.
  • Unberechtigte Abmahnungen verpflichten den Abmahner zum Schadensersatz, wenn ihm zumindest Fahrlässigkeit vorwerfbar ist.
  • Beim Handeln von Abmahnvereinen ist kein anderslautender Haftungsmaßstab gerechtfertigt. Auch sie müssen im Falle unrechtmäßiger Abmahnungen haften, wenn ihnen ein Verschulden zur Last zu legen ist.

Es ist zu wünschen, dass in naher Zukunft weitere Gerichte an die sehr zu begrüßenden Feststellungen des OLG Stuttgart anknüpfen werden. Zu hoffen ist, dass die eingangs erwähnte Abmahnwelle des VSW, die bereits jetzt Existenzen vernichtet hat, hierzu zum Anlass genommen würde.

Sie haben Fragen dazu?

AKTUELLE BEITRÄGE

Business shaking hands of partner over the photo blurred of group of Businessman Corporate
Prozessführung

Anfechtungsmöglichkeiten eines gerichtlich geschlossenen Vergleichs

Zivilprozesse werden vielfach im Wege eines zwischen den Parteien im Laufe des Verfahrens geschlossenen Vergleichs beendet. Häufig geschieht dies mit Hilfe des Gerichts. Die Praxis zeigt, dass ein solcher Vergleichsschluss, trotz Beteiligung des Gerichts, durchaus Tücken in sich birgt. Nachfolgend möchte ich einen Überblick verschaffen.

Weiter lesen »
Quotes
Prozessführung

Zur Befangenheit von Richtern im Zivilprozess: Wenn Richter Schriftsätze einer Partei nicht lesen, kann dies einen Befangenheitsantrag rechtfertigen!

Im Anschluss an meinen Überblicks-Beitrag zum Befangenheitsantrag nach § 42 ZPO möchte ich über ein interessantes Urteil des OLG Karlsruhe berichten. Demnach kann es die Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn ein Richter die von einer Partei eingereichten Schriftsätze nicht liest. Im betreffenden Fall hatte ein Richter einen gegen ihn gerichteten Befangenheitsantrag übersehen, da er den diesen enthaltenen Schriftsatz ungelesen an die Gegenpartei zur Stellungnahme weitergeleitet hatte. Dies verstößt gegen die sog. Wartepflicht nach § 47 Abs. 1 ZPO, wonach ab Stellung eines Befangenheitsantrags bis zu dessen Erledigung nur „unaufschiebbare Amtshandlungen“ zulässig sind.

Weiter lesen »
Files and evidence bag in a crime lab, conceptual image
Prozessführung

BGH zu den Rechtsfolgen einer Beweisvereitelung

In Rechtstreitigkeiten kommt es immer wieder vor, dass eine Partei die Beweisführung des Gegners erschwert. In diesen Fällen kommt dann die Frage auf, ob und gegebenenfalls mit welcher Rechtsfolge von einer Beweisvereitelung auszugehen ist.

Weiter lesen »

KONTAKT

LEGAL+

+49 (40) 57199 74 80

+49 (170) 1203 74 0

Neuer Wall 61 D-20354 Hamburg

kontakt@legal-plus.eu

Profitieren Sie von meinem aktiven Netzwerk!

Ich freue mich auf unsere Vernetzung.

Copyright 2025 © All rights Reserved.
business approve and certificate concept, document permit and certified

Blog-Artikel: „GS Zeichen“ – Wofür haftet der „TÜV“?

LEGAL+ NEWS

Blog-Artikel: „GS Zeichen“ - Wofür haftet der „TÜV“?

Eine spannende Frage, die vor allem Produkthersteller – aber natürlich auch betroffene Verbraucher – interessieren dürfte, ist, ob und ggf. wofür der „TÜV“, also die diversen über ganz Deutschland verteilten TÜV-Unternehmungen, eigentlich haftet, wenn sich trotz zugeteiltem GS-Zeichen ein Produkt als unsicher herausstellt?

Die Problematik

Besonders spannend und auch relevant ist diese Frage mit Blick auf das sog. „GS-Zeichen“, das der TÜV gegen nicht unerhebliches Entgelt Herstellern für ihre Produkte zur Nutzung zuteilt. „GS“ steht für „geprüfte Sicherheit“ und soll Kaufinteressenten die Gewissheit vermitteln, dass das fragliche Produkt „sicher“ ist.

Was aber ist, wenn sich ein Produkt als nicht sicher entpuppt? Dies Frage hat erheblich Bedeutung, weil der Produkthersteller gegenüber seinen Käufern natürlich für die Sicherheit seiner Produkte nach geltendem Produkthaftungs- und sicherheitsrecht haftet. Dann aber stellt sich die Frage, ob der TÜV, der dem Hersteller gegenüber – wie gesagt: gegen nicht unerhebliches Entgelt – die Sicherheit „bestätigt“ hat, für seine Fehleinschätzung haften muss?

Die Rechtslage

Zunächst: Wer ist der TÜV und was tut er eigentlich im Kontext des sog. „GS-Zeichens“?

Technischer Überwachungsverein (bekannt unter der Abkürzung „TÜV“) bezeichnet eingetragene Vereine, die als technische Prüforganisation Sicherheitskontrollen durchführen. Meist gehen diese Sicherheitskontrollen – wie auch das hier im Fokus stehende „GS-Zeichen“ -, auf gesetzliche Regelungen zurück, die neben dem Prüfgegenstand auch vorsehen, wer befugt ist, diese Prüfungen durchzuführen. Die bekannteste Organisation, die zu diesen Prüfungen befugt ist, sind die unter der geschützten Marke „TÜV“ agierenden Vereine (z.B. TÜV Süd, TÜV Rheinland oder TÜV Nord).

Die Rechtsgrundlage für das hier fragliche „GS-Zeichen“ sind die §§ 20 ff. des Produktsicherheitsgesetzes, kurz: ProdSG.

Der TÜV „testet“ und „prüft“ Produkte im Auftrag von Produktherstellern und lizenziert dann im Erfolgsfalle entsprechende Zertifikate oder Siegel (z.B. das „GS“ Zeichen) an die Hersteller. Die Hersteller bringen dann ihre Produkte mit dem „Segen“ des TÜV auf den Markt. Hierbei verdient der TÜV dann über Lizenzentgelte nicht wenig Geld.

Haftet der TÜV für später auftretende (konstruktive) Mängel?

Was ist aber, wenn sich später herausstellt, dass das vom TÜV „abgesegnete“ Produkt konstruktive Mängel aufweist, die der TÜV bei seiner Prüfung hätte erkennen können (oder müssen?) und infolgedessen Schäden entstehen?

Eine solche Haftung anzunehmen, erscheint nicht abwegig, wobei es interessanterweise wenig (bis keine) Rechtsprechung zu dieser Thematik gibt.

Eine nähere Betrachtung dieser Frage ergibt Folgendes:

1.

Die Überprüfung eines Produkts auf die Einhaltung der Anforderungen des Produktsicherheitsgesetzes (ProdSG) und die Bestätigung des Vorliegens dieser Voraussetzungen durch ein Zertifikat ist eine privatrechtliche gutachterliche Tätigkeit, auf die das Werkvertragsrecht Anwendung findet (vgl. Urteil des OLG München vom 30.07.2009, 23 U 2005/08).

Der Hersteller dürfte meines Erachtens nicht dazu verpflichtet sein, selbst die Richtigkeit der Angaben des TÜV zu überprüfen. Auf die Vergabe des Siegels darf der Hersteller des Produkts vertrauen (vgl. Urteil des OLG München vom 30.07.2009, 23 U 2005/08).

2.

Ob der TÜV seine Pflichten verletzt hat oder daher möglicherweise schadensersatzpflichtig ist, richtet sich damit grundsätzlich nach dem Inhalt des GS-Zeichen-Vertrages.

Der Pflichtenumfang muss dabei allerdings mindestens dem Gesetz entsprechen. In § 21 Absatz 1 ProdSG heißt es:

Die GS-Stelle darf das GS-Zeichen nur zuerkennen, wenn 

1.

das geprüfte Baumuster den Anforderungen nach § 3 entspricht und, wenn es sich um ein Verbraucherprodukt handelt, zusätzlich den Anforderungen nach § 6 entspricht,

2.

das geprüfte Baumuster den Anforderungen anderer Rechtsvorschriften hinsichtlich der Gewährleistung des Schutzes von Sicherheit und Gesundheit von Personen entspricht,

3.

bei der Prüfung des Baumusters die vom Ausschuss für Produktsicherheit für die Zuerkennung des GS-Zeichens ermittelten Spezifikationen angewendet worden sind,

4.

Vorkehrungen getroffen wurden, die gewährleisten, dass die verwendungsfertigen Produkte mit dem geprüften Baumuster übereinstimmen.

Vor herausragender Relevanz ist § 21 Absatz 1 Nr. 1 ProdSG, da demnach das GS-Zeichen nur zuerkannt werden darf, wenn die Anforderungen des § 3 ProdSG erfüllt sind. § 3 ProdSG seinerseits ist die Zentralnorm des Produktsicherheitsrechts überhaupt, weil dort bestimmt ist, dass nur ein sicheres Produkt auf dem Markt bereitgestellt werden darf.

Damit steht fest:

Der TÜV muss genauso wie der Hersteller alle Anforderungen erfüllen, die für ein Bereitstellen auf dem Markt gelten, wenn er im Rahmen eines GS-Zeichen-Vertrages das gesetzlich normierte GS-Zeichen seinem Vertragspartner zur Verwendung lizenzieren will.

3.

Geht man weiter davon aus, dass der TÜV im Einzelfall seine vertraglichen Pflichten zurechenbar und schuldhaft verletzt hat, nämlich dadurch, dass er

  • die Produktprüfung nicht ordnungsgemäß durchführte,
  • erkennbare Mängel übersah oder verschwieg, oder
  • einen insofern angezeigten Hinweis unterließ und
  • daraufhin ein zu Unrecht – unter Verstoß gegen § 21 ProdSG – ein Zertifikat über die Einhaltung aller Vorschriften verliehen hat,

ist meines Erachtens eine Haftung des TÜV (oder sonstiger „GS-Stellen“) für daraus resultierende Schäden (Produkthaftungsfälle) alles andere als fernliegend.

Denn:

4.

Bei pflichtgemäßer Erfüllung des „GS-Zeichen-Werkvertrages“ hätte der TÜV die Zuteilung des GS-Zeichens unter Verweis auf die festgestellten Sicherheitsmängel verweigern müssen.

Dann aber – dies darf man meines Erachtens ohne weiteres annehmen – hätte der Hersteller das Produkt nicht in Verkehr gebracht.

Mithin wäre der fragliche Schaden auch nicht entstanden.

5.

Weiteres Zwischenergebnis:

Eine reine Kausalitätsbetrachtung (= Ursächlichkeitsbetrachtung) legt die Annahme einer Haftung nahe.

6.

Letztlich entscheidend dürfte unter Wertungs- und Zurechenbarkeitsgesichtspunkten sein, ob der TÜV im Verhältnis zum Hersteller tatsächlich, eine haftungsrelevante Produktverantwortung übernimmt.

Meines Erachtens sprechen gewichtige Gründe dafür, dass der TÜV gegenüber dem Hersteller mindestens eine Mitverantwortung für die Sicherheit des von ihm geprüften Produkts übernimmt:

So ist zu bedenken, dass die „GS-Zeichen“-Prüfung zwei Seiten hat. Hiervon bildet die vom Gesetzgeber vorgesehene Prüfung und ggf. Zuteilung des GS-Zeichens (§§ 20 ff. ProdSG) nur „die eine Seite der Medaille“.

Nach meiner Erfahrung ist genau diese Seite der Medaille regelmäßig die Rechtfertigung des TÜV dafür, dass er für die Sicherheit des von ihm geprüften Produkts nicht einzustehen hat. Sein Argument: Er führt „nur“ die gesetzlich vorgesehene GS-Zeichen-Prüfung durch, dies auf Basis der jeweils einschlägigen Normen (DIN, EN etc.). Macht er die Prüfung „normgemäß“ – was wohl meist der Fall sein dürfte -, sei ihm nichts vorzuwerfen.

Meines Erachtens ist diese Betrachtung schlicht zu eng. Denn der TÜV hat sich aus einem Werkvertrag verpflichtet, die Sicherheit des fraglichen Produkts zu prüfen. Qua Gesetz – damit vertraglich nicht einschränkbar – muss der TÜV diese Prüfung in gleichen Umfang durchführen – und damit meins Erachtens verantworten – , wie der Hersteller selbst. Nicht zuletzt ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung, dass sich der TÜV das Gütesiegel („GS“) teuer bezahlen lässt. Meines Erachtens folgt hieraus, dass der TÜV gegenüber dem Hersteller, der ihn teuer bezahlt, auch Verantwortung dafür übernimmt, dass das fragliche Produkt tatsächlich sicher ist. Ist es dies nicht, haftet der TÜV im Schadensfall. Letzteres gilt meines Erachtens auch gegenüber geschädigten Verbrauchern, die nicht zuletzt das fragliche Produkt wegen des durch das GS-Zeichen vermittelten Vertrauen in dessen Sicherheit erworben hatten. Der Werkvertrag zwischen TÜV und Hersteller dürfte regelmäßig Schutzwirkung zugunsten der Verbraucher entfalten.

Close-up Of A Person's Hand Stamping With Approved Stamp On Text Approved

Fazit

Kommt es bei „GS“-Produkten zu einem Produkthaftungsfall, kann es sich für den Hersteller und betroffene Verbraucher lohnen, eine (Mit-)haftung des TÜV bzw. der sonstigen Zertifizierungsstelle zu en Sie hier um Ihren eigenen Text einzufügen

Sie haben Fragen dazu?

AKTUELLE BEITRÄGE

Business shaking hands of partner over the photo blurred of group of Businessman Corporate
Prozessführung

Anfechtungsmöglichkeiten eines gerichtlich geschlossenen Vergleichs

Zivilprozesse werden vielfach im Wege eines zwischen den Parteien im Laufe des Verfahrens geschlossenen Vergleichs beendet. Häufig geschieht dies mit Hilfe des Gerichts. Die Praxis zeigt, dass ein solcher Vergleichsschluss, trotz Beteiligung des Gerichts, durchaus Tücken in sich birgt. Nachfolgend möchte ich einen Überblick verschaffen.

Weiter lesen »
Quotes
Prozessführung

Zur Befangenheit von Richtern im Zivilprozess: Wenn Richter Schriftsätze einer Partei nicht lesen, kann dies einen Befangenheitsantrag rechtfertigen!

Im Anschluss an meinen Überblicks-Beitrag zum Befangenheitsantrag nach § 42 ZPO möchte ich über ein interessantes Urteil des OLG Karlsruhe berichten. Demnach kann es die Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn ein Richter die von einer Partei eingereichten Schriftsätze nicht liest. Im betreffenden Fall hatte ein Richter einen gegen ihn gerichteten Befangenheitsantrag übersehen, da er den diesen enthaltenen Schriftsatz ungelesen an die Gegenpartei zur Stellungnahme weitergeleitet hatte. Dies verstößt gegen die sog. Wartepflicht nach § 47 Abs. 1 ZPO, wonach ab Stellung eines Befangenheitsantrags bis zu dessen Erledigung nur „unaufschiebbare Amtshandlungen“ zulässig sind.

Weiter lesen »
Files and evidence bag in a crime lab, conceptual image
Prozessführung

BGH zu den Rechtsfolgen einer Beweisvereitelung

In Rechtstreitigkeiten kommt es immer wieder vor, dass eine Partei die Beweisführung des Gegners erschwert. In diesen Fällen kommt dann die Frage auf, ob und gegebenenfalls mit welcher Rechtsfolge von einer Beweisvereitelung auszugehen ist.

Weiter lesen »

KONTAKT

LEGAL+

+49 (40) 57199 74 80

+49 (170) 1203 74 0

Neuer Wall 61 D-20354 Hamburg

kontakt@legal-plus.eu

Profitieren Sie von meinem aktiven Netzwerk!

Ich freue mich auf unsere Vernetzung.

Copyright 2025 © All rights Reserved.
Approaching the bench in a courtroom with gavel and judge seat for law and order trial proceedings

Gerichte müssen ihrer sog. Hinweispflicht (§ 139 ZPO) grundsätzlich vor der mündlichen Verhandlung nachkommen! – BGH-Beschluss vom 11.4.2018 (Az. VII ZR 177/17)

LEGAL+ NEWS

Gerichte müssen ihrer sog. Hinweispflicht (§ 139 ZPO) grundsätzlich vor der mündlichen Verhandlung nachkommen! - BGH-Beschluss vom 11.4.2018 (Az. VII ZR 177/17)

Es ist leider gängige Praxis im Zivilprozess, dass die Gerichte Hinweise an die Parteien erst in der mündlichen Verhandlung erteilen. Mit den Konsequenzen dieser Praxis hat sich der BGH in einem praxisrelevanten Beschluss vom 11.4.2018 (Az. VII ZR 177/17) beschäftigt.

Parteien eines Zivilprozesses und deren Rechtsvertreter erleben es als die Regel, dass sich das zur Entscheidung berufene Gericht erst in der mündlichen Verhandlung zum fraglichen Fall äußert.

Wenn – was oft der Fall ist – sich solche Hinweise auf entscheidungsrelevante Umstände beziehen, hat dies regelmäßig prozessuale Konsequenzen, die von den Beteiligten – im vorliegenden Fall gar auch vom Berufungsgericht – übersehen werden.

Dies hat der BGH in seinem eingangs genannten Beschluss klargestellt, in dem zur Hinweispflicht des Gerichts ausgeführt hat:

Das Landgericht ist seiner Hinweispflicht gemäß § 139 ZPO nicht hinreichend nachgekommen. Das Gericht muss in Erfüllung seiner prozessualen Fürsorgepflicht gemäß § 139 Abs. 4 ZPO Hinweise auf seiner Ansicht nach entscheidungserhebliche Umstände, die die betroffene Partei erkennbar für unerheblich gehalten hat, grundsätzlich so frühzeitig vor der mündlichen Verhandlung erteilen, dass die Partei die Gelegenheit hat, ihre Prozessführung darauf einzurichten und schon für die anstehende mündliche Verhandlung ihren Vortrag zu ergänzen und die danach erforderlichen Beweise anzutreten. Erteilt es den Hinweis entgegen § 139 Abs. 4 ZPO erst in der mündlichen Verhandlung, muss es der betroffenen Partei genügend Gelegenheit zur Reaktion hierauf geben.

Die Konsequenz des vom BGH vorbeschriebenen Versäumnisses des Gerichts, Hinweise bereits vor der mündlichen Verhandlung zu erteilen, benennt der BGH dann wie folgt:

Wenn es offensichtlich ist, dass die Partei sich in der mündlichen Verhandlung nicht abschließend erklären kann, so muss das Gericht – wenn es nicht in das schriftliche Verfahren übergeht – auch ohne einen Antrag auf Schriftsatznachlass die mündliche Verhandlung vertagen, um Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

Mit anderen Worten:

Das Gericht kann in solchen Fällen die mündliche Verhandlung nicht einfach als geschlossen betrachten und ein Urteil fällen. Es muss der betroffenen Partei vielmehr hinreichend Gelegenheit zur Stellungnahme geben. Ausnahme ist, was allerdings selten der Fall sein dürfte, dass die Partei bei verständiger Würdigung noch in der mündlichen Verhandlung – mithin spontan – hätte hinreichend Stellung beziehen können.

Weitere – für die Praxis vielleicht wichtigste – Konsequenz ist:

Auf einen entsprechenden Antrag auf sog. Schriftsatznachlass kommt es in diesen Fällen nicht an! Auch ohne dass die betroffenen Partei einen solchen Antrag stellt – vorliegend war dies versäumt worden – muss das Gericht rechtliches Gehör gewähren. Hierzu der BGH im fraglichen Beschluss:

In diesem Zusammenhang ist unschädlich, dass der Beklagte keinen Antrag auf Gewährung einer Frist zur Stellungnahme auf den Hinweis gestellt hat. Der Erlass des Urteils unmittelbar am Schluss der Sitzung, ohne dass dem Beklagten Gelegenheit gegeben wurde, auf den Hinweis zu reagieren, stellt sich als verfahrensfehlerhaft dar.

Empty Jury Seats in Courtroom

Fazit:

In Kenntnis diese wichtigen Rechtsprechung des BGH können Parteien eines Zivilprozesses mündlichen Verhandlungen erheblich entspannter entgegensehen.

Sie haben Fragen dazu?

AKTUELLE BEITRÄGE

Business shaking hands of partner over the photo blurred of group of Businessman Corporate
Prozessführung

Anfechtungsmöglichkeiten eines gerichtlich geschlossenen Vergleichs

Zivilprozesse werden vielfach im Wege eines zwischen den Parteien im Laufe des Verfahrens geschlossenen Vergleichs beendet. Häufig geschieht dies mit Hilfe des Gerichts. Die Praxis zeigt, dass ein solcher Vergleichsschluss, trotz Beteiligung des Gerichts, durchaus Tücken in sich birgt. Nachfolgend möchte ich einen Überblick verschaffen.

Weiter lesen »
Quotes
Prozessführung

Zur Befangenheit von Richtern im Zivilprozess: Wenn Richter Schriftsätze einer Partei nicht lesen, kann dies einen Befangenheitsantrag rechtfertigen!

Im Anschluss an meinen Überblicks-Beitrag zum Befangenheitsantrag nach § 42 ZPO möchte ich über ein interessantes Urteil des OLG Karlsruhe berichten. Demnach kann es die Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn ein Richter die von einer Partei eingereichten Schriftsätze nicht liest. Im betreffenden Fall hatte ein Richter einen gegen ihn gerichteten Befangenheitsantrag übersehen, da er den diesen enthaltenen Schriftsatz ungelesen an die Gegenpartei zur Stellungnahme weitergeleitet hatte. Dies verstößt gegen die sog. Wartepflicht nach § 47 Abs. 1 ZPO, wonach ab Stellung eines Befangenheitsantrags bis zu dessen Erledigung nur „unaufschiebbare Amtshandlungen“ zulässig sind.

Weiter lesen »
Files and evidence bag in a crime lab, conceptual image
Prozessführung

BGH zu den Rechtsfolgen einer Beweisvereitelung

In Rechtstreitigkeiten kommt es immer wieder vor, dass eine Partei die Beweisführung des Gegners erschwert. In diesen Fällen kommt dann die Frage auf, ob und gegebenenfalls mit welcher Rechtsfolge von einer Beweisvereitelung auszugehen ist.

Weiter lesen »

KONTAKT

LEGAL+

+49 (40) 57199 74 80

+49 (170) 1203 74 0

Neuer Wall 61 D-20354 Hamburg

kontakt@legal-plus.eu

Profitieren Sie von meinem aktiven Netzwerk!

Ich freue mich auf unsere Vernetzung.

Copyright 2025 © All rights Reserved.
wooden judges gavel on table in a courtroom or enforcement office.

Zur Reichweite eines sog. Schriftsatznachlasses

LEGAL+ NEWS

Zur Reichweite eines sog. Schriftsatznachlasses

Oder: Wann ist Vorbringen in der Berufungsinstanz „neu“?

Mit Beschluss vom 27.2.2018, Az. VIII ZR 90/17, hat der BGH – sehr bedeutsam für die Praxis konkretisiert, wie umfassend der sog. Schriftsatznachlass gemäß § 283 ZPO zu verstehen ist (vgl. auch den Blog-Beitrag: Berufungsgerichte weisen erstinstanzlich verspätetes Vorbringen oftmals zu Unrecht zurück).

Über den sog. Schriftsatznachlass hat das erstinstanzliche Gericht der durch spätes Vorbringen des Prozessgegners überraschten Partei rechtliches Gehör – dies ohne Vertagung oder Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung – zu gewähren, indem es dieser Partei auf deren Antrag Gelegenheit einräumt, binnen bestimmter Frist zu diesem Vorbringen Stellung zu nehmen.

Bezüglich des Umfangs der Gelegenheit zur Stellungnahme im vorbeschriebenen Sinne neigen die Instanzgerichte – wie der BGH jetzt einmal wieder aufgezeigt hat – zu einem zu engen Verständnis, das dahin geht, zulässigen Vortrag allein auf die Stellungnahme zur Richtigkeit bzw. Unrichtigkeit des fraglichen Vorbringens zu beeschränken.

Der BGH hat klargestellt, dass das Recht zur Stellungnahme nicht unerheblich weiter geht:

So ist auch gänzlich neues Vorbringen zuzulassen, wenn und soweit es „als Reaktion auf das verspätete Vorbringen des Gegners erfolgt“.

Der BGH hat ausgeführt (vgl. Beschluss vom 27.2.2018, Rn. 24):

§ 283 ZPO soll es einer Partei, die auf ein Vorbringen des Gegners nicht mehr rechtzeitig reagieren kann, ermöglichen, sich innerhalb einer bestimmten Frist hierzu zu erklären, es also – gegebenenfalls auch durch substanziierte Gegenbehauptungen – zu bestreiten, zuzugestehen oder ihm schließlich durch ein selbstständiges – gegebenenfalls auf neue tatsächliche Behauptungen gestütztes – Angriffs- oder Verteidigungsmittel entgegenzutreten.

Dies bedeutet:

Selbst gänzlich (!) neue Behauptungen können zuzulassen sein, wenn diese als „Reaktion“ auf das späte Vorbringen des Gegners zu würdigen sind.

Wenn das erstinstanzliche Gericht dies verkennt, und die fraglichen Behauptungen in seinem Urteil unter Berufung auf § 296a ZPO unberücksichtigt lässt, so handelt es sich um in der Berufungsinstanz nicht „neuen“ Vortrag, der ohne weiteres vom Berufungsgericht zu würdigen ist.

Aus diesem Urteil ist zu lernen, dass auch Obergerichte prozessuale Regeln immer wieder falsch anwenden. Also: Aufpassen!

Sie haben Fragen dazu?

AKTUELLE BEITRÄGE

Business shaking hands of partner over the photo blurred of group of Businessman Corporate
Prozessführung

Anfechtungsmöglichkeiten eines gerichtlich geschlossenen Vergleichs

Zivilprozesse werden vielfach im Wege eines zwischen den Parteien im Laufe des Verfahrens geschlossenen Vergleichs beendet. Häufig geschieht dies mit Hilfe des Gerichts. Die Praxis zeigt, dass ein solcher Vergleichsschluss, trotz Beteiligung des Gerichts, durchaus Tücken in sich birgt. Nachfolgend möchte ich einen Überblick verschaffen.

Weiter lesen »
Quotes
Prozessführung

Zur Befangenheit von Richtern im Zivilprozess: Wenn Richter Schriftsätze einer Partei nicht lesen, kann dies einen Befangenheitsantrag rechtfertigen!

Im Anschluss an meinen Überblicks-Beitrag zum Befangenheitsantrag nach § 42 ZPO möchte ich über ein interessantes Urteil des OLG Karlsruhe berichten. Demnach kann es die Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn ein Richter die von einer Partei eingereichten Schriftsätze nicht liest. Im betreffenden Fall hatte ein Richter einen gegen ihn gerichteten Befangenheitsantrag übersehen, da er den diesen enthaltenen Schriftsatz ungelesen an die Gegenpartei zur Stellungnahme weitergeleitet hatte. Dies verstößt gegen die sog. Wartepflicht nach § 47 Abs. 1 ZPO, wonach ab Stellung eines Befangenheitsantrags bis zu dessen Erledigung nur „unaufschiebbare Amtshandlungen“ zulässig sind.

Weiter lesen »
Files and evidence bag in a crime lab, conceptual image
Prozessführung

BGH zu den Rechtsfolgen einer Beweisvereitelung

In Rechtstreitigkeiten kommt es immer wieder vor, dass eine Partei die Beweisführung des Gegners erschwert. In diesen Fällen kommt dann die Frage auf, ob und gegebenenfalls mit welcher Rechtsfolge von einer Beweisvereitelung auszugehen ist.

Weiter lesen »

KONTAKT

LEGAL+

+49 (40) 57199 74 80

+49 (170) 1203 74 0

Neuer Wall 61 D-20354 Hamburg

kontakt@legal-plus.eu

Profitieren Sie von meinem aktiven Netzwerk!

Ich freue mich auf unsere Vernetzung.

Copyright 2025 © All rights Reserved.

Antragsbefugnis von Wettbewerbsvereinen in Zweifel ziehen!

LEGAL+ NEWS

Antragsbefugnis von Wettbewerbsvereinen in Zweifel ziehen!

Sog. Abmahnvereine (Vgl. § 8 Abs. 3 Nr.2 UWG) machen der Wirtschaft gehörig zu schaffen. Gerade kleinere Unternehmen oder Start-Ups können es sich oft nicht leisten, sich zu wehren. Dabei wird übersehen, dass ein Abmahnverein nur unter engen Voraussetzungen befugt ist, vermeintliche Wettbewerbsverstöße zu verfolgen. Die folgt aus § 8 Abs.3 Nr. 2 UWG:

„Die Ansprüche aus Absatz 1 stehen zu: (…)

2. rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Unternehmern angehört, die Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, wenn sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsmäßigen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen und soweit die Zuwiderhandlung die Interessen ihrer Mitglieder berührt;“

Dies bedeutet:

Ein Abmahnverein darf im Einzelfall nur dann tätig werden, wenn:

er zu seinen Mitgliedern eine erhebliche Anzahl von Mitgliedern zählen darf, die
Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben.

Kurz: Will ein Abmahnverein beispielsweise gegen eine Werbeagentur vorgehen, muss er grundsätzlich eine erhebliche Anzahl von Werbeagenturen (o.ä. Unternehmen) zu seinen Mitgliedern zählen.

Zwar ist die Rechtsprechung bei Prüfung dieses grundsätzlich strengen Erfordernisses bedauerlicherweise recht großzügig. Dies mag aber auch daran liegen, dass die Betroffenen die Antrags- bzw. Klagebefugnis des sie „angreifenden“ Wettbewerbsverbandes nicht mit der gebotenen Hartnäckigkeit in Zweifel ziehen. Aus eigener Erfahrung kann ich von einem Fall berichten, in welchem eine Internetrecherche hinsichtlich angeblicher Mitglieder zu erstaunlichen Erkenntnissen geführt hatte:

So stellte sich heraus, dass von den angegebenen vier Mitgliedern der relevanten Branche nicht ein einziges verifiziert werden konnte. Im Gegenteil: Eine der angeblichen Werbeagenturen entpuppte sich als Schönheits-Klinik.

Die Lehre hieraus ist, dass es sich in jedem Falle lohnt, die Angaben der Mitgliederliste, aus der ein jeder Abmahnverein seine vermeintliche Befugnis zur Ahnung von Wettbewerbsverstößen ableitet, zu hinterfragen!

Sie haben Fragen dazu?

AKTUELLE BEITRÄGE

Business shaking hands of partner over the photo blurred of group of Businessman Corporate
Prozessführung

Anfechtungsmöglichkeiten eines gerichtlich geschlossenen Vergleichs

Zivilprozesse werden vielfach im Wege eines zwischen den Parteien im Laufe des Verfahrens geschlossenen Vergleichs beendet. Häufig geschieht dies mit Hilfe des Gerichts. Die Praxis zeigt, dass ein solcher Vergleichsschluss, trotz Beteiligung des Gerichts, durchaus Tücken in sich birgt. Nachfolgend möchte ich einen Überblick verschaffen.

Weiter lesen »
Quotes
Prozessführung

Zur Befangenheit von Richtern im Zivilprozess: Wenn Richter Schriftsätze einer Partei nicht lesen, kann dies einen Befangenheitsantrag rechtfertigen!

Im Anschluss an meinen Überblicks-Beitrag zum Befangenheitsantrag nach § 42 ZPO möchte ich über ein interessantes Urteil des OLG Karlsruhe berichten. Demnach kann es die Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn ein Richter die von einer Partei eingereichten Schriftsätze nicht liest. Im betreffenden Fall hatte ein Richter einen gegen ihn gerichteten Befangenheitsantrag übersehen, da er den diesen enthaltenen Schriftsatz ungelesen an die Gegenpartei zur Stellungnahme weitergeleitet hatte. Dies verstößt gegen die sog. Wartepflicht nach § 47 Abs. 1 ZPO, wonach ab Stellung eines Befangenheitsantrags bis zu dessen Erledigung nur „unaufschiebbare Amtshandlungen“ zulässig sind.

Weiter lesen »
Files and evidence bag in a crime lab, conceptual image
Prozessführung

BGH zu den Rechtsfolgen einer Beweisvereitelung

In Rechtstreitigkeiten kommt es immer wieder vor, dass eine Partei die Beweisführung des Gegners erschwert. In diesen Fällen kommt dann die Frage auf, ob und gegebenenfalls mit welcher Rechtsfolge von einer Beweisvereitelung auszugehen ist.

Weiter lesen »

KONTAKT

LEGAL+

+49 (40) 57199 74 80

+49 (170) 1203 74 0

Neuer Wall 61 D-20354 Hamburg

kontakt@legal-plus.eu

Profitieren Sie von meinem aktiven Netzwerk!

Ich freue mich auf unsere Vernetzung.

Copyright 2025 © All rights Reserved.

BGH zu verspätetem Vorbringen im Berufungsverfahren

LEGAL+ NEWS

Berufungsrecht: Wann liegt im Berufungsverfahren ein verspätetes Vorbringen vor?

Die korrekte Entscheidung über verspätetes Vorbringen im Berufungsverfahren hat große praktische Bedeutung, da verspätetes Vorbringen vom Berufungsgericht grundsätzlich nicht zu berücksichtigen ist.

In einem bedeutsamen Beschluss hat der BGH daran erinnert, dass Angriffs- und Verteidigungsmittel, die bereits vom Gericht erster Instanz unberücksichtigt geblieben sind, vom Berufungsgericht in vielen Fällen dennoch berücksichtigt werden müssen (BGH, Beschluss vom 27.2.2018 – Az. VIII ZR 90/17).

Der BGH-Beschlusses zum verspäteten Vorbringen (Az. VIII ZR 90/17)

  1. Ein häufig fehlinterpretierter Paragraph ist § 531 Abs. 1 ZPO:

„Angriffs- und Verteidigungsmittel, die im ersten Rechtszug zu Recht zurückgewiesen worden sind, bleiben ausgeschlossen.“

Diese Regelung wird von Berufungsgerichten oft zu weit ausgelegt, insbesondere im Licht von § 296a S.1 ZPO:

„Nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, können Angriffs- und Verteidigungsmittel nicht mehr vorgebracht werden.“

  1. Viele Berufungsgerichte gehen zu Unrecht davon aus, dass Vorbringen, das in der ersten Instanz gemäß § 296a ZPO zurückgewiesen wurde, ebenfalls gemäß § 531 Abs. 1 ZPO vom Berufungsverfahren ausgeschlossen ist.
  2. Dies entspricht, wie der BGH klagestellt hat, nicht der Rechtslage gemäß der ZPO. § 531 Abs. 1 ZPO findet nur dann Anwendung findet, wenn das Vorbringen in der ersten Instanz auf Grundlage von § 296 Abs. 1 bis Abs. 3 ZPO zurückgewiesen wurde. Sollte es jedoch auf § 296a ZPO zurückgehen, ist § 531 Abs. ZPO nicht anwendbar – egal, ob die Entscheidung richtig oder falsch war.

Fragen zum Berufungsverfahren und verspätetem Vorbringen?

Wenden Sie sich vertrauensvoll an mich für eine professionelle Beratung.

Zu der Frage, wann Vorbringen in der Berufungsinstanz „neu“ ist, lesen Sie bitte auch meinen Beitrag zur Reichweite eines sog. Schriftsatznachlasses!

Sie wünschen eine Beratung?

AKTUELLE BEITRÄGE

Business shaking hands of partner over the photo blurred of group of Businessman Corporate
Prozessführung

Anfechtungsmöglichkeiten eines gerichtlich geschlossenen Vergleichs

Zivilprozesse werden vielfach im Wege eines zwischen den Parteien im Laufe des Verfahrens geschlossenen Vergleichs beendet. Häufig geschieht dies mit Hilfe des Gerichts. Die Praxis zeigt, dass ein solcher Vergleichsschluss, trotz Beteiligung des Gerichts, durchaus Tücken in sich birgt. Nachfolgend möchte ich einen Überblick verschaffen.

Weiter lesen »
Quotes
Prozessführung

Zur Befangenheit von Richtern im Zivilprozess: Wenn Richter Schriftsätze einer Partei nicht lesen, kann dies einen Befangenheitsantrag rechtfertigen!

Im Anschluss an meinen Überblicks-Beitrag zum Befangenheitsantrag nach § 42 ZPO möchte ich über ein interessantes Urteil des OLG Karlsruhe berichten. Demnach kann es die Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn ein Richter die von einer Partei eingereichten Schriftsätze nicht liest. Im betreffenden Fall hatte ein Richter einen gegen ihn gerichteten Befangenheitsantrag übersehen, da er den diesen enthaltenen Schriftsatz ungelesen an die Gegenpartei zur Stellungnahme weitergeleitet hatte. Dies verstößt gegen die sog. Wartepflicht nach § 47 Abs. 1 ZPO, wonach ab Stellung eines Befangenheitsantrags bis zu dessen Erledigung nur „unaufschiebbare Amtshandlungen“ zulässig sind.

Weiter lesen »
Files and evidence bag in a crime lab, conceptual image
Prozessführung

BGH zu den Rechtsfolgen einer Beweisvereitelung

In Rechtstreitigkeiten kommt es immer wieder vor, dass eine Partei die Beweisführung des Gegners erschwert. In diesen Fällen kommt dann die Frage auf, ob und gegebenenfalls mit welcher Rechtsfolge von einer Beweisvereitelung auszugehen ist.

Weiter lesen »

KONTAKT

LEGAL+

+49 (40) 57199 74 80

+49 (170) 1203 74 0

Neuer Wall 61 D-20354 Hamburg

kontakt@legal-plus.eu

Profitieren Sie von meinem aktiven Netzwerk!

Ich freue mich auf unsere Vernetzung.

Copyright 2025 © All rights Reserved.