WhatsApp Business AGB im Check
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AGB liest kaum jemand. Diese Reihe markiert Klauseln, die regelmäßig übersehen werden und beim Lesen überraschen: weil ihr Umfang weiter reicht als erwartet, weil sie versteckte Voraussetzungen oder Ausschlüsse enthalten oder weil sie die Risiken unerwartet zuschreiben. Heute: WhatsApp Business (Stand: 16. Februar 2024) – Lizenz an Unternehmensinhalten und Haftungsdeckel 100 US-Dollar.
Vertragspartner und anwendbares Recht
(Hinweis: Rechtswahl/Gerichtsstand wirken erst, wenn das Klauselwerk wirksamer Vertragsbestandteil geworden ist – dazu der Folge-Abschnitt.)
Für Unternehmen in der EU, im EWR und in der Schweiz ist Vertragspartner WhatsApp Ireland Limited (Dublin).
Die WhatsApp-Business-Nutzungsbedingungen vereinbaren als anwendbares Recht kalifornisches Recht sowie den Gerichtsstand San Mateo County bzw. den Northern District of California. Die Rechtswahl ist im B2B-Sektor nach der Rom-I-Verordnung grundsätzlich wirksam. Eine Gerichtsstandsvereinbarung zugunsten von US-Gerichten kann im unternehmerischen Verkehr wirksam getroffen werden; deutsche Gerichte erkennen solche Vereinbarungen im B2B-Verkehr grundsätzlich an, sofern sie klar, individuell und ausschließlich getroffen sind. Unionsrecht – insbesondere die DSGVO – gilt unabhängig davon fort.
Für die nachfolgende Einordnung nutze ich die deutsche AGB-Systematik als Orientierungsraster. Das schärft den Blick auf potenzielle Risiken und hilft, präventive Maßnahmen zu planen. Maßgeblich bleibt die vereinbarte Rechtsordnung.
Geltung der Nutzungsbedingungen – sind sie überhaupt Vertragsinhalt?
Ob die Plattformbedingungen im Streitfall überhaupt Teil des Vertrags sind, hängt davon ab, ob sie wirksam einbezogen wurden. Maßgeblich sind in aller Regel: klarer Hinweis, Zugriff auf den Volltext vor Vertragsschluss und nachweisliche Zustimmung zur konkreten Version. Diese Grundanforderungen dürften – allenfalls in Nuancen unterschiedlich – in den meisten Rechtsordnungen eine Rolle spielen.
Konkreter Anknüpfungspunkt: Nach Art. 10 Abs. 1 Rom I richtet sich die Frage der Einbeziehung grundsätzlich hypothetisch nach dem Recht, das nach den AGB gelten soll (hier: kalifornisches Recht). Ausnahmsweise kann sich eine deutsche Partei nach Art. 10 Abs. 2 Rom I auf deutsches Recht berufen, um fehlende Zustimmung zu rügen, wenn eine Beurteilung nach dem vorgesehenen ausländischen Recht den Umständen nach nicht gerechtfertigt wäre. Die Reichweite dieser Ausnahme ist streitig; im Streitfall lohnt der Einbeziehungs-Check.
WhatsApp Business – konkret:
Die Zustimmung erfolgt typischerweise durch aktives Anklicken in der App/Console (Button „Zustimmen“ o. ä.). Streitentscheidend sind Protokolle (Zeitstempel, betätigter Button, Version der Bedingungen, Account-Bezug) und der nachweisbare Zugriff auf den Volltext vor dem Klick. Bei Fassungswechseln sind Update-Hinweise und der Geltungsbeginn der neuen Version zu belegen. Fehlen diese Nachweise, bietet die Einbeziehungsfrage eine tragfähige Angriffslinie.
Vertiefung: AGB-Einbeziehung im B2B – Leitfaden & Checkliste
Lizenz an Unternehmensinhalten
In Den WhatsApp-Business Bedingungen heißt es:
„Du gewährst WhatsApp und seinen Tochter- und verbundenen Unternehmen eine weltweite, nicht-exklusive, unterlizenzierbare und übertragbare Lizenz zur Nutzung, Reproduktion, Modifizierung, Anpassung, Veröffentlichung, Übersetzung, Erstellung abgeleiteter Werke, Verbreitung und öffentlichen Aufführung bzw. Darstellung der Unternehmens-Inhalte, die du auf unsere/n oder über unsere Business Services hochlädst, einreichst, speicherst, sendest oder empfängst, und zwar ausschließlich für die Zwecke des Bereitstellens, Betreibens, Entwickelns, Hervorhebens, Aktualisierens und Verbesserns unserer Business Services sowie des Forschens und Entwickelns neuer Dienste, Funktionen oder Nutzungen.“
(WhatsApp Business Nutzungsbedingungen, Ziff. 5, „Die Lizenz des Unternehmens gegenüber uns“, Stand 16.02.2024)
Analyse
Der Wortlaut reicht weit. Unterlizenzierung, Übertragbarkeit und die Befugnis, „abgeleitete Werke“ zu erstellen, gehen über das hinaus, was viele Unternehmen mit einem Messenger verbinden. Der Zweckrahmen wirkt beruhigend, ist aber offen: „Hervorheben“, „Verbessern“, „Forschung und Entwicklung“ sowie „neue Nutzungen“ lassen Spielräume. AGB-rechtlich ist das im B2B nicht automatisch unwirksam. Überraschung im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB wird man einer verbreiteten Plattformklausel kaum zuschreiben können. Maßstab ist § 307 BGB: Transparenz und Zumutbarkeit. Je weiter der Zweck gefasst ist, desto höher die Anforderungen an Verständlichkeit und die Erwartbarkeit der Rechtsfolgen.
Praktisch kollidiert diese Lizenz schnell mit fremden Rechten. Stock-Material enthält häufig Unterlizenz-Verbote oder enge Bearbeitungsrechte. Agenturwerke stehen unter eigenen Nutzungsabsprachen. Markenrichtlinien und Co-Branding-Vorgaben setzen Grenzen, die eine unterlizenzierbare Plattformlizenz nicht ohne Weiteres „überholt“. Personenabbildungen erfordern dokumentierte, widerrufliche Einwilligungen. Wer interne Dokumente, Verträge oder Preislisten in Workflows einspeist, riskiert zudem, Geheimnisse aus der Hand zu geben. Das ändert die Schutzvoraussetzungen nicht, erhöht aber das faktische Exponierungsrisiko.
Konsequenzen für Ihre Praxis
Unternehmen brauchen eine einfache, verbindliche Upload-Policy: Welche Asset-Klassen sind freigegeben, welche nicht. Für jedes hochgeladene Asset muss die Rechtekette belegbar sein: Lizenzdokumente, Agenturfreigaben, Markenfreigaben und Einwilligungen werden an der Medienablage mitgeführt. Sensible Inhalte gehören nicht in den Kanal. Bei geplanter Außendarstellung sollten exklusive Materialien organisatorisch getrennt und klar gekennzeichnet werden. So bleibt die Nutzung rechtssicher, und die Kommunikation funktionsfähig.
Haftungsdeckel auf 100 US-Dollar
In den WhatsApp-Business Bedingungen heißt es zur Haftung:
„Unsere gesamte Haftung, die sich in Bezug auf diese Business Bedingungen, auf unsere Handlungen oder Unterlassungen oder unsere Business Services oder dadurch oder in Verbindung damit ergibt, ist auf einhundert US-Dollar (100 $) oder den Betrag begrenzt, den das Unternehmen in den vergangenen zwölf Monaten für die Nutzung unserer Business Services an uns gezahlt hat, je nachdem, welcher Betrag höher ist.“
(WhatsApp Business Nutzungsbedingungen, Ziff. 10, „Haftungsbeschränkung“, Stand 16.02.2024)
Analyse
Die Klausel verlagert wirtschaftliche Folgen von Ausfällen, Sperren, Fehlzustellungen oder Integrationsbrüchen auf einen Bagatellbetrag. Das ist deutlich und wirkt in der Unternehmenspraxis sofort. Zugleich gilt der bekannte rechtliche Rahmen: Keine Begrenzung bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit. Keine Begrenzung bei Verletzung von Leben, Körper, Gesundheit. Produkthaftung bleibt unberührt. Ansprüche Betroffener nach Art. 82 DSGVO lassen sich durch AGB-Caps nicht abschneiden. Bei Verletzung wesentlicher Vertragspflichten trägt eine starre Pauschale regelmäßig nicht; hier kommt allenfalls eine Begrenzung auf den vertragstypisch vorhersehbaren Schaden in Betracht. Pauschale Vorbehalte „soweit gesetzlich zulässig“ heilen Intransparenz nicht, wenn der Kunde nicht erkennen kann, wann der Cap greift und wann nicht.
Auch dort, wo Teile der Klausel im deutschen Recht nicht durchdringen, entfaltet sie faktische Wirkung. Ohne belastbare Beweise für Störungen, Verzögerungen und Kausalität bleibt jede Durchsetzung zäh. Wer den Kanal geschäftskritisch nutzt, trägt das Betriebsrisiko praktisch selbst, wenn Resilienz und Beweisführung nicht vorbereitet sind.
Konsequenzen für Ihre Praxis
Kommunikation darf nicht exklusiv an einem Messenger hängen. Ein zweiter Kanal muss definiert, eingerichtet und regelmäßig erprobt sein. Für Vorfälle braucht es Beweise: Zustell- und Fehlerprotokolle sichern, Screenshots und Kurznotizen zeitnah erstellen, Eskalationswege festlegen. Gegenüber eigenen Kunden keine Zusagen, die von Drittplattformen abhängen; vertragliche Reaktions- und Wiederanlauffristen unabhängig vom Messenger definieren. Datenschutz bleibt daneben ein eigener Prüfbereich: Verarbeitungsvorgänge dokumentieren, Auftragsverarbeitung prüfen, Datentransfers bewerten und die technischen sowie organisatorischen Schutzmaßnahmen aktuell halten.
Mein Fazit zu WhatsApp Business
Die Lizenz verlangt Disziplin beim Hochladen und eine saubere Rechtekette. Der Haftungsdeckel verlangt technische und organisatorische Resilienz plus Beweissicherheit. Beides lässt sich mit schlanken Vorgaben erreichen: klare Zuständigkeiten, kurze Prüfliste am Upload-Punkt, ein getesteter Ausweichkanal. So wird WhatsApp Business nutzbar, ohne die eigene Rechts- und Risikoposition zu verwässern.

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