LEGAL+ NEWS
Die Abnahme eines Werkes darf wegen unwesentlicher Mängel nicht verweigert werden (§ 640 Abs. 1 Satz 2 BGB, § 12 Abs. 3 VOB/B) . Es findet sich in den relevanten Normen keinerlei Aussage zum erforderlichen Fertigstellungsgrad des Werkes als Abnahmevoraussetzung.
Gerade im regelmäßig sehr komplexen Anlagenbau ist aber die Frage, welchen Grad der Fertigstellung das Werk erreicht haben muss, damit es als abnahmereif angesehen werden kann, sehr bedeutsam. Denn bei strenger Betrachtung dürfte eine lückenlose Fertigstellung infolge der technischen Komplexität vieler Anlagenbauprojekte kaum erreichbar sein bzw. aus Sicht des Anlagenbauers erst zu einem kaum mehr akzeptablen Zeitpunkt erreicht sein.
Der nachfolgende Beitrag gibt Aufschluss darüber, inwieweit der Fertigstellungsgrad das Recht auf Abnahme berührt.
Grundsatz: Abnahme nur, wenn Werk vollständig fertig gestellt und vollendet ist
Im privaten Baurecht gilt der Grundsatz, dass eine Abnahme nur in Betracht kommt, wenn das Werk zum Abnahmetermin vollständig fertig gestellt und vollendet ist.
Einschränkungen dieses Grundsatzes durch höchstrichterliche Rechtsprechung
In älteren Entscheidungen hat der BGH teilweise ausdrücklich zwischen einem mangelhaften und einem unfertigen Werk unterschieden. Eine Abnahme käme – so der BGH – grundsätzlich erst in Betracht, wenn das Werk fertig gestellt ist, mag es auch noch über Mängel verfügen (BGH NJW 1964, 647; BGH NJW 1979, 650).
Anderseits hat der BGH bereits zu dem damaligen Zeitpunkt zugleich auch festgestellt, dass eine Abnahme zwar grundsätzlich erst bei Fertigstellung in Betracht komme, gleichwohl aber möglich sei, wenn noch einzelne Leistungen ausstehen würden (BGH BauR 1973, 192).
In neueren Entscheidungen wird der BGH eindeutiger. Nach seiner Auffassung stehe es dem Abnahmeverlagen des Unternehmers nicht entgegen, wenn noch unwesentliche Restleistungen fehlen, die für die Entscheidung des Bestellers, ob er die Leistung als Erfüllung annehmen und billigen möchten, unerheblich sind (BGH NJW 2000, 2818, 2819). Ausstehende kleinere und für die Gebrauchsfähigkeit des Werkes unbedeutende Restarbeiten, stünden einer Abnahme nicht entgegen.
In der Literatur wird ebenfalls allgemein davon ausgegangen, dass dem Anspruch des Unternehmers nicht entgegensteht, dass noch unwesentliche Restleistungen fehlen, die für die Entscheidung des Auftraggebers, ob er die Leistung als Erfüllung annehmen und billigen will, unbedeutend und unwichtig sind.
![Construction of building](https://www.legal-plus.eu/wp-content/uploads/2021/12/construction-of-building-1030x686.jpg)
Fazit zum erforderlichen Fertigstellungsgrad
Es kann nach allem als gesicherte Rechtslage angesehen werden, dass für die Abnahmereife nicht die tatsächlich lückenlose Erbringung der Werkleistung Voraussetzung ist, sondern dass unwesentliche Restleistungen noch fehlen dürfen.
Ob eine noch ausstehende Restarbeit als wesentlich oder unwesentlich anzusehen ist – wie auch bei der Bestimmung der Wesentlichkeit eines Mangels – eine Frage des Einzelfalls.
Als Faustformel können Sie sich als Anlagenbauer im Hinblick auf den erforderlichen Fertigstellungsgrad als Voraussetzung der Abnahme merken:
Noch offene als unwesentlich einzustufende Restarbeiten hindern die Abnahme nicht.
![](https://www.legal-plus.eu/wp-content/uploads/2019/03/Daniel-Meier-Greve-Portrait-300x246.jpg)
AKTUELLE BEITRÄGE
![truck on a highway through the grasslands area of eastern Washington, USA.](https://www.legal-plus.eu/wp-content/uploads/2021/09/truck-on-a-highway-through-the-grasslands-area-of-eastern-washington-usa--1030x686.jpg)
Zur Erlangung einer Güterkraftverkehrslizenz in Deutschland
Das Güterkraftverkehrsgewerbe ist bei Transporten mit Kraftfahrzeugen mit einem zulässigen Gesamtgewicht von über 3,5 Tonnen erlaubnispflichtig. Die zu erfüllenden Voraussetzungen zur Erlangung einer Güterkraftverkehrslizenz werden nachfolgend überblicksmäßig beschrieben.
![Skyline of Frankfurt / Main in Germany with the European Central Bank on the Right side.](https://www.legal-plus.eu/wp-content/uploads/2021/10/main-in-germany-with-the-european-central-bank-on-the-right-side--1030x773.jpg)
EURO-Klauseln – Vorbeugung gegen Eurokrisenszenarien
Der Begriff Euro-Klausel wird bis heute überwiegend mit der Einführung des Euro in Verbindung gebracht. Der nachfolgende Beitrag befasst sich mit dem unschönen Fall, dass der Euro in eine Krise gerät, verbunden z.B. mit dem Ausstieg einzelner Staaten aus der Euro-Zone. Zur Vorbeugung dieses Falles lohnt es sich, über „Nach-Euro“-Klauseln nachzudenken.
![Concept of signing to sign a contract.](https://www.legal-plus.eu/wp-content/uploads/2021/10/concept-of-signing-to-sign-a-contract--1030x597.jpg)
Vereinbarung von Freihaltepflichten
Die vertragliche Vereinbarung von Freihaltepflichten ist ein bis heute selten angewandtes vertragliches Instrument. Dabei können solche Freihaltevereinbarungen gerade in Mehr-Parteien-Konstellationen sehr hilfreich sein. Ein besonders relevantes Beispiel liegt im Bereich des sehr komplexen und daher streitträchtigen Anlagenbaus.
KONTAKT
![LEGAL+](https://www.legal-plus.eu/wp-content/uploads/2019/10/Ihr-Kontakt-zum-Hamburger-Anwalt-für-Vertragsrecht-2-1030x1030.jpg)
+49 (40) 57199 74 80
+49 (170) 1203 74 0
Neuer Wall 61 D-20354 Hamburg
kontakt@legal-plus.eu
Profitieren Sie von meinem aktiven Netzwerk!
Ich freue mich auf unsere Vernetzung.