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Klageabweisung als „derzeit unbegründet“

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Ratgeber Baurecht: Zur Rechtskraft einer Klageabweisung als „derzeit unbegründet“

Gerade in baurechtlichen Streitigkeiten ist eine Klageabweisung als „derzeit unbegründet“ keine Seltenheit. Oft geht es dabei z.B. um die Fälligkeit von Vergütungsansprüchen, weil die Abnahme als Fälligkeitsvoraussetzung fraglich ist. In diesen Fällen kommt es dann immer wieder zu Urteilen, die eine Klage als derzeit unbegründet abweisen.

Der BGH hat jüngst mit detaillierter Begründung festgestellt, dass in solchen Fällen die Rechtskraft des abweisenden Urteils auch die Urteilsgründe umfasst, soweit darin die übrigen – also die derzeit nicht fehlenden – Anspruchsvoraussetzungen positiv festgestellt bzw. bejaht worden sind.

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BGH zur Rechtskraftwirkung einer Klagebweisung als derzeit unbegründet

Der BGH hat in seinem Urteil vom 9. Dezember 2022 (Az. V ZR 72/21) zur Begründung ausgeführt:

„(…)

Geklärt ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass bei der Abweisung einer Zahlungsklage als derzeit unbegründet gemäß § 322 Abs. 1 ZPO in Rechtskraft erwächst, dass der Kläger bis zu dem Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung keinen zur Zahlung fälligen Anspruch gegen den Beklagten hatte (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 6. Oktober 1989 – V ZR 263/86, WM 1989, 1897, 1898; BGH, Urteil vom 28. Juli 2011 – VII ZR 180/10, NJW-RR 2011, 1528 Rn. 12; Beschluss vom 23. Januar 2014 – VII ZB 49/13, NJW 2014, 1306 Rn. 11).

(…)

Umstritten war bisher, inwieweit einer Klageabweisung als zurzeit unbegründet neben dieser „negativen“ Rechtskraftwirkung zu Lasten des Klägers auch eine „positive“ Rechtskraftwirkung dahingehend zukommen kann, dass zu Gunsten des Klägers das Vorliegen bestimmter Voraussetzungen des Anspruchs feststeht.

 (…)

Diese Frage hat der III. Zivilsenat in einer nach Verkündung des Urteils des Berufungsgerichts ergangenen Entscheidung in einem Fall, in dem in einem Vorprozess ein Amtshaftungsanspruch gegen einen Notar (§ 19 Abs. 1 Satz 1 BNotO) umfassend geprüft und sodann allein wegen des Bestehens einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit abgewiesen worden war, bejaht (vgl. Urteil vom 9. Juni 2022 – III ZR 24/21, NJW 2022, 2754 Rn. 17 ff. mit umfangreichen Nachweisen zum Streitstand). Danach erstreckt sich die Rechtskraft eines die Klage als zurzeit unbegründet abweisenden Urteils auch darauf, dass im Übrigen die Voraussetzungen des Anspruchs erfüllt sind, wenn und soweit diese in den Entscheidungsgründen bejaht bzw. positiv festgestellt worden sind. Für die Bestimmung des Umfangs der Rechtskraft seien bei klageabweisenden Urteilen Tatbestand und Entscheidungsgründe ergänzend heranzuziehen.

(…)

Der überzeugenden Argumentation des III. Zivilsenats schließt sich der V. Zivilsenat an und hält sie auch in dieser Konstellation für einschlägig.

 

Allerdings erwächst nicht der gesamte Urteilsinhalt in Rechtskraft. Die Rechtskraft beschränkt sich vielmehr auf die Rechtsfolge, die den Entscheidungssatz bildet, den das Gericht aus dem Sachverhalt durch dessen Subsumtion unter das objektive Recht erschlossen hat. Bei einer klagabweisenden Entscheidung ist jedoch der aus der Begründung zu ermittelnde, die Rechtsfolge bestimmende, ausschlaggebende Abweisungsgrund Teil des in Rechtskraft erwachsenden Entscheidungssatzes und nicht allein ein Element der Urteilsbegründung.

(…)

Bejaht das Gericht in dem Vorprozess, in dem der Beklagte die unbeschränkte Klageabweisung beantragt, die Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs mit Ausnahme des Eintritts von aufschiebenden Bedingungen, handelt es sich bei der Bejahung der Anspruchsvoraussetzungen nicht allein um ein Element der Urteilsbegründung und eine Vorfrage, sondern gemessen an dem Rechtsschutzziel des Beklagten um einen ausschlaggebenden Abweisungsgrund. Der Beklagte, der eine unbeschränkte Klageabweisung beantragt, ist aufgrund seines weitergehenden Rechtsschutzziels beschwert, soweit (lediglich) eine Abweisung als derzeit unbegründet erfolgt.

(…)

Er kann daher – jedenfalls mit einem Rechtsmittel – erreichen, dass gerichtlich geprüft wird, inwieweit der geltend gemachte Anspruch unbeschränkt abzuweisen ist, weil er endgültig nicht besteht.

(…)

Dann ist es aber folgerichtig, dass die Bejahung der Anspruchsvoraussetzungen „positiv“ zugunsten des Klägers wirkt. Dieses Ergebnis ist auch deswegen überzeugend, weil andernfalls der Kläger in einem Folgeprozess gegebenenfalls gezwungen wäre, die bereits geprüften und bejahten Anspruchsvoraussetzungen nochmals zu beweisen. Der Beklagte könnte also durch erneutes Bestreiten erreichen, dass eine umfassende Prüfung derselben Anspruchsvoraussetzungen sowohl im Vorprozess als auch im Folgeprozess stattfindet. Ein derartiges Ergebnis wäre aus prozessökonomischer Sicht unsinnig, weil es die Ergebnisse des Vorprozesses entwertete.(…)“

 

Bewertung dieser Sichtweise zur Klageabweisung als „derzeit unbegründet“

Das Urteil ist grundsätzlich zu begrüßen, da es in der Tat unsinnig wäre, bereits geprüfte und bejahte Anspruchsvoraussetzungen in einem Folgeprozess erneut prüfen zu müssen.

Vorsicht ist für Betroffene solcher Konstellationen aber insofern geboten, als diese Rechtsprechung auch Tücken in sich birgt – jedenfalls dann, wenn man die aufgeführten Grundsätze auf jeden erdenklichen Fall einer Klageabweisung als „derzeit unbegründet“ wegen Fehlens einer einzelnen Anspruchsvoraussetzung ausdehnt. Beispielhaft sei der Fall genannt, dass der Kläger gegen ein solches Urteil Berufung einlegt mit dem Ziel, dass das Berufungsgericht auch die fehlende Anspruchsvoraussetzung bejaht und damit der Klage stattgibt.  Streng genommen wäre dann die Prüfungskompetenz des Berufungsgerichts auf die Frage des Vorliegens dieser einzelnen Fälligkeitsvoraussetzung beschränkt. Die vom Erstgericht bejahten, übrigen Anspruchsvoraussetzungen bildet ja keine Beschwer des die Berufung einlegenden Klägers. Damit also das Berufungsgericht (zugunsten des Beklagten I. Instanz) auch die übrigen Anspruchsvoraussetzungen überprüft, müsste der Beklagte Anschlussberufung einlegen.

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