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Anerkennung und Vollstreckbarkeit von ausländischen Urteilen

Die Frage der Anerkennung und Vollstreckbarkeit von ausländischen Urteilen in Deutschland hat hohe praktische Relevanz:  Wenn im Konfliktfall ein ausländischer (außereuropäischer) Geschäftspartner mit einer Klage in seinem Heimatland droht, muss entschieden werden, ob eine Verteidigung gegen eine etwaige Klage im Ausland sinnvoll erscheint oder nicht. Lesen Sie zur Frage des Umgangs mit einer ausländischen Klage auch meinen Leitfaden „Klage aus dem Ausland – Was tun?“!

Nachfolgend soll einmal untersucht werden, was ein bereits ergangenes ausländisches Urteil für den deutschen Beklagten bedeutet. Droht ein solches Urteil oder ist es gar bereits ergangen, stellt sich für den deutschen Beklagten vor allem die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ihm die Zwangsvollstreckung aus diesem Urteil droht. Hiermit beschäftigt sich der folgende Beitrag. Wegen der sehr weit fortgeschrittenen Europäisierung des Rechts und der sich daraus ergebenen Besonderheiten im EU-Raum befasst sich der Beitrag ausschließlich mit Urteilen aus dem Nicht-EU-Ausland.

Ausgangspunkt: Erforderlichkeit eines Anerkennungsverfahrens

Soweit keine besonderen völkerrechtlichen Vereinbarungen anderes regeln, ist ein ausländisches Urteil in Deutschland zunächst einmal nichts wert.

Der ausländische Gläubiger, der mit seinem im Heimatland errungenen Urteil gegen seinen deutschen Schuldner in Deutschland Vollstreckungsmaßnahmen ergreifen will, muss sich zunächst an das hierfür zuständige deutsche Gericht wenden, um das ausländische Urteil in einem gesonderten Verfahren für vollstreckbar erklären zu lassen. Dies ist in § 722 Abs. 1 ZPO normiert:

„Aus dem Urteil eines ausländischen Gerichts findet die Zwangsvollstreckung nur statt, wenn ihre Zulässigkeit durch ein Vollstreckungsurteil ausgesprochen ist.“

Erst ein erfolgreich erstrittenes Vollstreckungsurteil (vgl. § 723 ZPO) führt zur Vollstreckbarkeit des ausländischen Urteils auch in Deutschland.

Vorstehendes bedeutet:

Eine Reaktion auf eine im Ausland erhobene  Klage erscheint aus deutscher Sicht überhaupt nur dann  angezeigt, wenn ein etwaiges Urteil auch in Deutschland vollstreckt werden könnte. Anderenfalls wäre das Urteil im Ergebnis wertlos; dies jedenfalls dann, wenn der deutsche Beklagte im Land des Klägers kein Vermögen besitzt, auf das zugegriffen werden könnte.

 

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Vom deutschen Gericht zu prüfende Anerkennungshindernisse

Wie ausgeführt, setzt die Vollstreckbarkeit eines ausländischen Urteils in Deutschland  dessen Anerkennungsfähigkeit in Deutschland voraus. Die Anerkennungsfähigkeit wird im oben erwähnten Vollstreckbarkeitsverfahren nach den §§ 722, 723 ZPO vom deutschen Gericht von Amts wegen überprüft.

Mangels einschlägiger bilateraler Abkommen zwischen Deutschland und dem jeweiligen Klägerstaat gelten  für die Anerkennungsfähigkeit die allgemeinen völkerrechtlichen Regeln.

Insbesondere ist die Anerkennungsfähigkeit  an § 328  Abs. 1 ZPO zu messen:

„(1) Die Anerkennung des Urteils eines ausländischen Gerichts ist ausgeschlossen:

  1. wenn die Gerichte des Staates, dem das ausländische Gericht angehört, nach den deutschen Gesetzen nicht zuständig sind;

  2. wenn dem Beklagten, der sich auf das Verfahren nicht eingelassen hat und sich hierauf beruft, das verfahrenseinleitende Dokument nicht ordnungsmäßig oder nicht so rechtzeitig zugestellt worden ist, dass er sich verteidigen konnte;

  3. wenn das Urteil mit einem hier erlassenen oder einem anzuerkennenden früheren ausländischen Urteil oder wenn das ihm zugrunde liegende Verfahren mit einem früher hier rechtshängig gewordenen Verfahren unvereinbar ist;

  4. wenn die Anerkennung des Urteils zu einem Ergebnis führt, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere wenn die Anerkennung mit den Grundrechten unvereinbar ist;

  5. wenn die Gegenseitigkeit nicht verbürgt ist“

Demnach ist einem ausländischen Urteil die Anerkennung in folgenden Fällen zu versagen:

Fehlende Zuständigkeit des ausländischen Gerichts

Der Zuständigkeitseinwand ist stets der am nächstliegende Aspekt, der gegen die Anerkennungsfähigkeit sprechen könnte. Denn international gilt im Zweifel der Grundsatz, dass eine Klage am Wohn- bzw. Geschäftssitz des Beklagten zu erheben ist. Folglich müsste sich die  Zuständigkeit des ausländischen Gericht für eine Klage gegen einen deutschen Beklagten aus einem besonderen Gerichtstand oder einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung ergeben.

Keine ordnungsmäßige Zustellung (Verletzung des sog. rechtlichen Gehörs)

Prüfenswert ist weiter der Einwand, dass es an einer ordnungsgemäßen Zustellung der ausländischen Klage fehlt. Hierfür ist z.B. erforderlich, dass der deutsche Beklagte genügend Gelegenheit gehabt haben muss, um sich gegen die Klage sachgerecht verteidigen zu können. Da die Rechtsprechung dieses Erfordernis sehr eng auslegt, hilft dieser Einwand meist nur in extrem gelagerten Fällen, also z.B. dann, wenn zwischen Zustellung an den deutschen Beklagten und Entscheidungstermin im Ausland nur wenige Tage liegen, was selten vorkommen dürfte.

Zudem ist in aller Regel eine Übersetzung der Klage in die deutsche Sprache erforderlich. Dies folgt in den meisten Fällen aus dem Haager Zustellungsübereinkommen vom 15. November 1965, dem sich neben Deutschland eine große Mehrheit an Ländern angeschlossen hat.

Lesen Sie zum Thema der Wirksamkeit der Zustellung ergänzend auch meinen Beitrag „Klage aus dem Ausland – Zustellung wirksam?“.

Unvereinbarkeit mit anderweitiger gerichtlicher Entscheidung

Sehr praxisrelevant und dementsprechend bedeutsam ist auch der Einwand, dass der Anerkennung der ausländischen Entscheidung eine inländische Gerichtsentscheidung unvereinbar entgegensteht.

Dies gilt insbesondere im Falle der früheren Rechtshängigkeit eines inländischen Verfahrens mit dem identischen Streitgegenstand. „Rechtshängigkeit“ meint den Zeitpunkt, zu dem eine wirksam erhobene Klage dem Beklagten rechtswirksam zugegangen ist. Den Zeitpunkt der Rechtshängigkeit im Ausland bestimmt dabei das ausländische Recht. Ob das ausländische Gericht Kenntnis vom inländischen Verfahren hatte, ist irrelevant.

Lesen Sie zu dieser Konstellation auch meinen gesonderten Beitrag „Die negative Feststellungsklage zur Verhinderung einer ausländischen Klage“.

Übrigens:

Der Vorrang der inländischen Entscheidung gilt selbst dann, wenn die inländische Entscheidung trotz früherer Rechtshängigkeit des ausländischen Verfahrens ergangen ist. Inländische Urteil sperren also immer, selbst dann also, wenn sie gar nicht hätten ergehen dürfen.

Unvereinbarkeit mit dem sog. ordre-public

Schließlich ist der sog. ordre public zu beachten. Hierbei geht es um die Vereinbarkeit des fraglichen ausländischen Urteils mit den wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts. Wenn ein ausländisches Urteil deutschen Grundprinzipien derart zuwiderläuft, dass es schier unerträglich erschiene, ein solches Urteil in Deutschland für vollstreckbar zu erklären, dann ist ihm die Anerkennung  zu versagen.

Vorstehendes trifft vor allem bei Verstößen gegen die Grundrechte zu. Weitere Beispiele für gegen den deutschen ordre public verstoßende Urteile sind solche, die auf Prozessbetrug zurückgehen oder Urteile, deren Gegenstand Spiel- oder Wettschulden sind.

Fehlende Verbürgung der sog. Gegenseitigkeit

Zwingendes Anerkennungserfordernis ist zudem die sog. „Verbürgung der Gegenseitigkeit“ im Verhältnis zum fraglichen Urteilsstaat.

„Gegenseitigkeit“ meint, dass die Anerkennung und Vollstreckung eines deutschen Urteils in dem fraglichen ausländischen Staat auf keine wesentlich größeren Schwierigkeiten stoßen dürfte, als umgekehrt die Anerkennung und Vollstreckung eines vergleichbaren ausländischen Urteils in Deutschland. Kurz: Es geht darum, dass die „Spielregeln“ untereinander einigermaßen übereinstimmen müssen. Denn es kann nicht sein, dass Deutschland ein Urteil aus einem Land anerkennt, das umgekehrt deutschen Urteilen die Anerkennung verweigert bzw. nur unter erheblichen erschwerten Voraussetzungen gewährt.

Vorgenannte Definition führt zu folgendem Problem: Die Frage der sog. Gegenseitigkeit lässt sich nur über die tatsächliche Gerichtspraxis beider Länder beantworten. Diese Praxis ist ständig im Fluss, so dass in jedem konkreten Fall dieser Frage gesondert nachzugehen ist.

Folgen aus der Nicht-Verteidigung gegen die ausländische Klage:  Begrenzung der Verteidigungsmöglichkeiten im Vollstreckbarkeitserklärungsverfahren

Wie schon in der Einleitung  ausgeführt, haben die zuvor dargestellten Anerkennungsvoraussetzungen für ausländische Urteile bereits Bedeutung bei der Entscheidung des deutschen Beklagten, ob er sich gegen die Klage überhaupt verteidigen soll.

Grundsätzlich steht es dem deutschen Beklagten frei, ob er die „Verteidigung in der Ferne“ – unter Inkaufnahme (vielleicht) unnötiger und dabei hoher Kosten – aufnehmen möchte.

Zu beachten ist dabei, dass inhaltliche Einwände gegen den Anspruch grundsätzlich im materiellen Klageverfahren vorgebracht werden müssen. Dies gilt allerdings gemäß der Rechtsprechung des BGH nicht generell, insbesondere ist es auch im Anerkennungsverfahren noch möglich, den Einwand des Prozessbetrugs zu erheben. Der BGH hat mit Urteil vom 29.04.1999 (Az. X ZR 263/97) ausgeführt:

„Im Verfahren auf Vollstreckbarerklärung ist ergänzender Tatsachenvortrag der Parteien jedenfalls insoweit zulässig, als aus der Art des Zustandekommens des anzuerkennenden Urteils ein Verstoß gegen § ZPO § 328 Abs. ZPO § 328 Absatz 1 Nr. 4 ZPO abgeleitet werden soll. Dem steht nicht der Grundsatz entgegen, dass ein betrügerisches Erschleichen eines ausländischen Urteils nicht mit denselben Beweismitteln dargelegt werden kann, deren sich ein Beklagter bereits im Ausgangsverfahren bedient hat oder hätte bedienen können (BGH, Beschl. v. 19. September 1977 – BGH Aktenzeichen VIIIZR12075 VIII ZR 120/75, NJW 1978, NJW Jahr 1978 Seite 1114, NJW Jahr 1978 Seite 1115). Dieser Grundsatz greift ein, wenn sich ein Beklagter vor dem Gericht des Erststaates tatsächlich verteidigt. Dagegen stellen sowohl § 328 Absatz 1 Nr. 2 als auch Nr. 4 ZPO es dem im Inland ansässigen Beklagten frei, sich im Ausland überhaupt einzulassen. Geht er das Risiko ein, sich im Ausland verurteilen zu lassen, so nimmt er die Erschwernis auf sich, im Anerkennungsverfahren nur noch eng begrenzte Verteidigungsmittel geltend machen zu dürfen. Jedenfalls der Betrugseinwand wird ihm aber nicht abgeschnitten.“

Ausländische UrteileFazit und Empfehlung

Die vorstehenden zusammenfassenden Ausführungen zeigen, dass der Anerkennung und damit der Vollstreckbarkeit ausländischer Urteile in Deutschland diverse Hürden entgegenstehen. Hieraus folgt für deutsche Wirtschaftsbeteiligte, die sich mit einem Rechtsstreit im Ausland bedroht sehen, dass die sachgerechte Entscheidung, wie mit dem jeweiligen Konflikt umzugehen ist, nicht nur von der rein materiellen Rechtslage abhängt, sondern nicht zuletzt auch von prozessualen Fragestellungen.

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